Dokumentarischer Rundgang – „Zigeunerlager“ in Frankfurt am 23.11.2014
Liebe RotSportler_innen,
Bevor die AG Wandern in die Winterpause geht, möchten wir euch einladen, mit uns noch eine etwas andere Wanderung zu bestreiten. Diesmal soll ausnahmsweise nicht die Landschaft in und um Frankfurt im Mittelpunkt stehen. Vielmehr wollen wir mit euch ein wichtiges, doch wenig
bekanntes Kapitel der Frankfurter Geschichte erschließen.
Vorweg eine kurze Erklärung, warum von „Zigeunern“ die Rede ist und nicht etwa von Sinti, Roma, Jenische oder den vielen anderen Gruppen und Einzelpersonen, die immer wieder Ziel antiziganistischer Gewalt wurden und werden. Wer „Zigeuner“ „ist“ und wer nicht, das entschieden und entscheiden nicht die antiziganistisch Verfolgten. „Zigeuner“ ist der Begriff, mit dem die Täter ihre Opfer markieren und gleichzeitig rechtfertigen, warum diese Opfer sind. Zum „Zigeuner“ kann jede_r erklärt werden, die_der keinen festen Wohnsitz hat, keiner geregelten Arbeit nachgeht, oder anderweitig gegen die Ordnungsvorstellungen des bürgerlichen Nationalstaats verstößt. Jedoch setzte sich in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert die Praxis durch, „Zigeuner“ als rassistischen Begriff für z.B. Sinti, Roma oder Jenische zu verwenden. „Zigeuner“ ist somit nicht ausschließlich
ein rassistischer Begriff und die automatische Gleichsetzung von „Zigeuner“ mit Sinti und Roma unterschlägt im Kontext der Verfolgung all jene, die von antiziganistischer Gewalt betroffen waren und sind, sich jedoch nicht selbst als Sinti oder Roma bezeichnen.
Von Berkersheim aus werden wir zu den ehemaligen Standorten der drei sogenannten „Zigeunerlager“ wandern, die die Stadt Frankfurt zwischen 1929 und 1945 betrieb. Über die Felder erreichen wir die erste Station unserer Tour, das ehemalige Lager Friedberger Landstraße, dass 1929
an der Stadtgrenze Frankfurts errichtet wurde, um „Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen“ aus dem Stadtgebiet fernzuhalten. Auch wenn die damalige Gesetzgebung die Stadt Frankfurt daran hinderte, „Zigeuner“ in dieses Lager zwangseinzuweisen, ermöglichte es doch die umfassendere Schikane von „Zigeunern“ durch Polizei und städtische Behörden.
Dem Grüngürtel folgend, werden wir uns als Zweites zum Standort des Lagers in der Kruppstraße begeben. Dieses Lager bestand von 1942 bis zur Befreiung Frankfurts durch die Westalliierten. Von hieraus ging 1943 der größte Transport von Sinti und Roma aus Hessen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Die dritte und letzte Etappe erwartet uns im Industriegebiet an der Hanauer Landstraße. Das Lager Dieselstraße 40, das erste im NS eingerichtete Lager, diente wie das spätere Lager in der Kruppstraße als Internierungslager. Sinti und Roma aus dem gesamten hessischen Gebiet wurden hierher deportiert, um in frankfurter Betrieben Zwangsarbeit zu leisten, „Wissenschaftler_innen“ der „Rassenbiologischen Forschungsstelle“ als Anschauungsobjekte zu dienen oder ihre Deportation nach Auschwitz oder andere Vernichtungs- und Arbeitslager zu erwarten.
An jedem der drei Standorte werden wir eine ca. 20 bis 30 minütige Pause machen,in der kurz die Geschichte des Lagers erläutert wird und es Gelegenheit für Fragen und Diskussionen und um sich einen Eindruck von Umfang und Lage des Lagers zu machen.
Strecke: Treffpunkt ist am Sonntag, den 23.11.14 um 12:50 an der S-Bahnstation Berkersheim (Abfahrt ist am Hbf um 12:34 mit der S6 Gleis 104, Sub-Ebene). Von hier aus geht es ca. 10 km durch die Felder, den Grüngürtel und schließlich in die Industriegebiete im Norden und Osten Frankfurts. Endpunkt ist an der Hanauer Landstraße, Straßenbahnhaltestelle Dieselstraße.